Bericht in der Simbacher Zeitung vom 1. November 1894

Eröffnungsfeier der neuen Innbrücke zwischen Simbach und Braunau.

* Simbach, 30. Oktober. Begünstigt von der herrlichen Witterung, fand gestern die feierliche Eröffnung unserer neuen Innbrücke statt. Bereits am frühen Morgen strömten die Bewohner aus Nah und Fern nach den beiden festgebenden Orten. Man kann wohl mit Recht behaupten, daß in Simbach und Braunau noch nie so viel Menschen versammelt waren, wie gestern. Besonders stark war das Gedränge an der neuen Brücke, deren herrliches Portal und eleganter Oberbau allgemeine Bewunderung erregt.

Den Festtag leiteten Böllerschüsse und ein musikalischer Morgengruß ein. Um 9 Uhr fanden in den Pfarrkirchen zu Simbach und Braunau Festgottesdienste statt; hieran schlossen sich um 10 Uhr die von Simbach und Braunau arrangirten Festzüge. Der Simbacher Festzug bewegte sich vom Kirchenplatz durch die Kirchen-, Münchner- und Innstraße zur Innrücke und war, wie folgt, rangirt:

2 berittene Herolde in mittelalterlicher Tracht, eine Abtheilung Feuerwehr, die Schuljugend, Guirlanden tragend, der Wandererverein, die Feuerschützengesellschaft, die beiden Veteranenvereine, der „Liederkranz“, der Turn- und Metzgerverein, hierauf folgte die hochw. Geistlichkeit in vollem Ornate, begleitet von guirlandentragenden-weißgekleideten Mädchen, dann die Herren Beamten, der Gemeindeaussschuß und den Schluß bildete eine Abtheilung der freiw. Feuerwehr.

Es war ein ergreifender Moment, als die beiden Züge bei der Grenzscheide der beiden Länder sich vereinigten, um die Einweihung der Brücke gemeinsam zu begehen. Herr Dekan Köstler von Braunau nahm die Benediktion der Brücke vor. Hierauf begrüßten sich die österreichischen und bayerischen Regierungsvertreter und die übrigen Behörden beider Nachbarorte auf das Herzlichste. Bayerischerseits waren sämmtliche Herren Beamte in Zivil, österreichischerseits in Uniform.

Von Oesterreich waren offiziell abgeordnet: der k.k. Oberbaurath Ritter v. Grimburg aus Linz, der k.k. Baurath Lauda in Ministerium (Wien) und der k.k. Bezirkshauptmann Ritter v. Pinter; von Bayern und zwar von der Kreisregierung für Niederbayern: Kreisbaurath Sörgel und Regierungsrath Ramer von Pfarrkirchen. Unter diesen Herren befand sich auch der Urheber des Entwurfs zu dem großartigen Brückenportal, der Kreis-Bauassessor Schildhauer von Augsburg.

Nach der Benediktion sangen die Gesangvereine von Simbach und Braunau Beethovens „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre!“ Es folgte nun ein von dem Töchterchen Elise des Hrn. Bürgermeisters Mühldorfer von Simbach vorgetragenes Gedicht:

Nach Hoffen und Harren, nach langer Zeit,
Nach heißem Streben und Mühen,
Zu stolzer Vollendung sehen wir heut‘
Ein herrliches Werk nun gediehen.

Drum strahlet hellleuchtender Freudenschein
In frohem Festesgepränge,
In der Menschen Jubelruf klingen hinein
Der Glocken weithallende Klänge.

Zur heiligen Feier mit mächtigem Drang
Die Gewässer tosen und rauschen;
Verwundert dem weihevollen Gesang
Die Geister der Tiefe heut‘ lauschen.

Die dräuenden Wogen, sie seh’n himmelan
In Stein und Eisen es ragen,
Wie Menschenkraft mit verwegenem Plan
Den Strom in Fesseln geschlagen.

Geknüpft ist nun ein ehernes Band,
Das Länder und Ufer verbindet,
Unreißbar von einem zum andern Strand
Im mächtigen Bogen sich windet.

Es soll hinfort das stolze Gebäu‘
Nicht nur die Ufer vergliedern,
Soll, jede Kluft überbrückend, getreu
Die Menschen und Herzen verbrüdern.

Wir grüßen Dich heute, o Oesterreich,
Wir lassen, vereint im Vollbringen,
An Sprache und Blut einander uns gleich,
Den Jubel zusammen erklingen.

Zusammen klingen laßt Wort und Herz
In Lust zu einander gewendet,
Laßt Dank uns senden, himmelwärts,
Daß alles ohn‘ Unglück vollendet;

Daß der den Segen gab, dessen Geist
Stets über den Wassern schwebet,
Vor allem seinen Namen lobpreist,
Zu ihm das Herz froh erhebet!

Wir danken auch allen, die mit Gunst
Und Eifer das Werk uns gegründet,
Der fürstlichen Gnade, des Werkmanns Kunst
Sei laut unser Dank heut‘ verkündet.

Und dankbare Freude soll immerdar
In unseren Herzen erglühen.
Wir haben geseh’n neues Leben fürwahr
Aus morschen Ruinen erblühen.

Dr. Eisenreiter.

Hierauf trug das Töchterchen des Herrn Pointner von Braunau folgendes Gedicht vor:

Kommt zu uns, wir wollen kommen
Auch zu euch, ihr Brüder nah;
Euch wie uns zum Nutz und Frommen
Steht ja nun die Brücke da.

Nachbarn fürchten keine Tücke
Von einander – nimmermehr! –
Wenn sie bauen eine Brücke
Zur Erleicht’rung im Verkehr.

Gott, du führst auf allen Wegen
Uns zu Wasser und zu Land,
Spende heute deinen Segen
Unserm Werk mit voller Hand!

Gottesmutter, Jungfrau hehre,
Sieh Dein Volk, zu Dir es fleht!
Tugend, Fried‘ und Wohlstand mehre
Uns, so lang die Brücke steht!

Engel Gottes steigt hernieder
Aus der sel’gen Himmelsau!
Hört uns betenm singen Lieder,
Schützet unsern Brückenbau!

Brüder, laßt dem Herrn uns danken,
Sitzend hier am Strom der Zeit,
Bis wir ziehen sondern Wanken
Auf der Brück‘ der Ewigkeit.

A. König.

Nach einem von der Musikkapelle gespielten Choral defilirten die Züge an einander vorbei, zogen wieder zurück und lösten sich auf.

Die Festgäste, Beamten usw. begaben sich in den Fink’schen Saal in Braunau, wo ein solenner Frühschoppen eingenommen wurde. Hier konnte man so recht beobachten, welch‘ freundnachbarlicher, herzlicher Ton zwischen Bayern und Oesterreich herrscht.

Nach einigen Musikstücken eröffnete Herr Bürgermeister Mühldorfer von Simbach die Reihe der Toaste mit einem Hoch auf den Kaiser von Oesterreich; Herr Bürgermeister und k.k. Notar Dr. Brunner von Braunau folgte mit einer zündenden Ansprache, die in einem Toast auf Bayerns Regenten gipfelte. Beide Ansprachen fanden stürmischen Beifall und die ausgebrachten Hochs auf die beiden Fürsten jubelnden Widerhall.

Die österreichische und die bayerische Hymne wurden stehend gesungen; an beide Fürsten gingen Huldigungstelegramme ab; ferner wurden mit Telegrammen bedacht die Minister Freiherr v. Crailsheim und Feilitzsch, der k.k. Statthalter Frhr. v. Puthon zu Linz und Regierungspräsident v. Lipowsky in Landshut. Von den beiden genannten bayerischen Ministern waren Glückwunschtelegramme schon eingelaufen.

Es sprachen noch der Reichsrath- und Landtagsabgeordnete von Schärding, Kyrle, dann der Kreisbaurath Sörgel, der Oberbaurath Ritter v. Grimburg, der k.k. Bezirkshauptmann Ritter v. Pinter, Bezirksamtmann Ramer, Kreisbau-Assessor Schildhauer u.A.m. So verlief der Festfrühschoppen, gewürzt von trefflichen Reden, in der schönsten und zwanglosesten Weise, getragen von echt patriotischem Geiste, durchweht von dem Hauche stammesverwandter Zuneigung.

Nachmittags nach 2 Uhr wurde der Frühschoppen aufgehoben; auf der Straße harrte eine lange Reihe von Equipagen, um die Festgäste zur Korsofahrt über die neue Brücke aufzunehmen. Unter Vorauffahrt eines schön geschmückten Wagens, in dem eine Musikkapelle Platz genommen hatte, gings durch die Straße Braunaus über die Brücke, durch Simbach nach dem nahegelegenen Moosbräukeller, wo Nachmittags 4 Uhr ein Festkonzert den schönen an Erinnerungen so reichen Freudentag Braunaus und Simbachs beschloß.

Das Festkonzert hatte sich eines ungemein zahlreichen Besuches zu erfreuen. Die Kapelle unter Leitung des Dirigenten Herrn A. Kainzinger erntete für das reichhaltige und mit ausgezeichneter Bravour durchgespielte Programm rauschenden Beifall. Abends 10 Uhr traf von Sr. kgl. Hoheit dem Prinzregenten Luitpold auf das Mittags abgesandte Huldigungstelegramm folgende Antwort ein, welche Herr Bürgermeister Mühldorfer verlas und die hellen Jubel hervorrief:

Herrn Bürgermeister Mühldorfer von Simbach in Braunau.
„Seine königliche Hoheit der Prinz-Regent lassen den Theilnehmern an der heutigen Eröffnung der neuen Innbrücke, durch die Allerhöchstdieselben mit Freude einen langjährigen Wunsch der Nachbargemeinden Simbach und Braunau verwirklicht sehen, für die dargebrachte Ovation Allerhöchst Ihren huldvollsten Dank entsenden.“
München, den 29. Oktober 1894.
Im Allerhöchsten Auftrage:
Frhr. v. Zoller, Generalmajor u. Generaladjutant.

Es erübrigt uns nun noch, des trefflichen Arrangements zu gedenken, mit dem die Festkomite’s von Simbach und Braunau auf’s neue wieder glänzend bewiesen haben, daß sie Feste veranstalten können. Denn die Zeit war sehr kurz und trotzdem viel Arbeit zu bewältigen war, wurde diese Aufgabe in glänzender Weise gelöst.

Die Dekoration der Innbrücke und der Häuser war großartig und muß hierfür alle Anerkennung gezollt werden. Trotz der riesigen Menschenmenge herrschte beim Festzug , der einen großartigen Verlauf nahm und allgemeine Bewunderung fand, musterhafte Ordnung, wofür hauptsächlich die Feuerwehren von Simbach, Erlach, Kirchberg und Braunau Sorge trugen.

Nachstehend theilen wir den Wortlaut der eingelaufenen Glückwunsch-Telegramme mit:

Herrn Bürgermeister, Simbach.
„Indem ich für das mir gestern bei meiner Rückkehr spät Abends zugekommene schmeichelhafte Telegramm bestens danke, beglückwünsche ich zum glänzenden Verlaufe der erhebenden Feier der Eröffnung der neuen Reichsbrücke als eines kräftigen Bindemittels für die Fortdauer der loyalsten und herzlichsten Beziehungen zwischen beiden Ufergemeinden.“
Linz, 30. Oktober 1894.
Freiherr von Puthon, k.k. Statthalter.

Herrn Bürgermeister Mühldorfer, Simbach am Inn.
„Freudigst bewegt, daß das große Brückenbau-Unternehmen nunmehr vollendet ist, übersende ich zur heutigen Eröffnungsfeier die herzlichsten Glückwünsche und danke für die Mittheilung des Festprogramms.“
München, 29. Oktober 1894.
Frhr. von Feilitzsch, k. Staatsminister des Innern.

An die Herrn Bürgermeister von Braunau und Simbach in Simbach.
„Mit meinem freudigen Glückwunsche zur Vollendung des Werkes verbinde ich im Namen der Regierung den wärmsten Dank für die Unterstützung, welche die Gemeinden Braunau und Simbach und deren Vertretung dem Unterfertigten geliehen haben. Möge die neue Reichsbrücke stets segensreiche Vermittlerin der beiderseitigen Sympathien und Interessen sein.“
Landshut, 29. Oktober 1894.
Regierungs-Präsident v. Lipowsky.

An Herrn Mühldorfer, Bürgermeister von Simbach.
„Der Gemeinde Simbach sendet freundlichen Glückwunsch zur Eröffnung der neuen Länder verbindenen Brücke.“
München, 29. Oktober 1894.
Das kgl. Staatsministerium des kgl. Hauses und des Aeußern
Frhr. von Crailsheim.

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